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22.06.17

Wochenende Arendsee






Wochenendtour Arendsee
17. und 18. Juni 2017
328 km







Samstag, 17. Juni 2017
Edemissen - Arendsee
202 km



Für dieses Wochenende habe ich mir wieder eine Radtour mit Übernachtung vorgenommen. Ich möchte den Arendsee in der Altmark besuchen. Die Altmark ist eine Region im Norden von Sachsen-Anhalt.

Gestern war es noch regnerisch, ab heute ist Sonne angesagt. Der starke Westwind soll allerdings erst morgen etwas nachlassen. Deshalb habe ich entgegen meiner Gewohnheit ein Ziel gewählt, bei dem ich den Großteil des Hinweges Rückenwind habe. Morgen fahre ich dann mit schwächerem Gegenwind zurück. Um 5.20 Uhr bin ich abfahrbereit. Das Wetter haut mich allerdings noch nicht um, es ist ziemlich frisch und bewölkt aber zum Glück trocken.


Die Route, die ich gestern bei Naviki geplant habe, führt mich erst einmal auf bekannter Strecke nach Meinersen.


Hinter Ettenbüttel überquere ich die Aller und komme auf den Allerradweg.


Es ist viertel vor 7 und bis auf des Gezwitscher der Vögel ist alles wunderbar ruhig im Wald beim Naturschutzgebiet Allertal. Rechts neben dem Hauptweg befindet sich ein schmaler, besser befahrbarer Radstreifen. Diese Strecke bin ich schon einige Male gefahren und bin immer wieder begeistert.


Hinter Gamsen kann ich über die Felder von weitem einige Dächer und Mühlenflügel des Mühlenmuseums Gifhorn erkennen. Dann komme auf einer schönen Holzbrücke über die Ise.


Kurz darauf komme ich in den Drömling, ein etwa 340 km² großes Niederungsgebiet an der Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die Feld- und Waldwege sind allesamt gut befahrbar.


Ab und zu komme ich auf eine einsame Landstraße, die kleinere Orte miteinander verbindet.


Bei Kaiserwinkel fahre ich unbemerkt über die ehemalige Grenze nach Sachsen-Anhalt. Hier befindet sich der größere Teil des Drömlings, der überwiegend aus Natur- und Landschaftsschutzgebieten besteht.


Die Wege im neuen Bundesland sind sehr unterschiedlich. Teilweise gut und asphaltiert, teilweise lassen sie aber auch zu wünschen übrig und sind so holperig, dass von schnellem Vorankommen bei Rückenwind nicht die Rede sein kann. Feiner Schotter ist das kleinste Übel, die Steigerung ist grober Schotter oder der Weg ist gespickt mit großen Feldsteinen und Schlaglöchern, denen ich kaum ausweichen kann. Am schlimmsten aber sind die sandigen Waldwege, in denen ich felgentief einsacke und stecken bleibe. Hier hilft dann nur schieben. Zum Glück sind es nur kürzere Abschnitte, danach habe ich wieder besseren Belag unter den Reifen.


Gegen Mittag bin ich in Gardelegen. Die Hansestadt ist nach Berlin und Hamburg die der Fläche nach drittgrößte Stadt Deutschlands. Ich komme am Salzwedeler Tor vorbei, eins von 3 Stadttoren aus dem 16. Jahrhundert, im Jahre 1907 rekonstruiert. Naviki führt mich um die Altstadt herum.


Den 1. Teil meiner Route und somit die Hälfte der Strecke für heute habe ich erreicht. Für den Hinweg habe ich eine deutlich längere Strecke geplant, die zum Teil auf dem Altmark-Rundkurs liegt. Ich lade den 2. Teil hoch und verlasse Gardelegen wieder.


Auch ab hier empfiehlt Naviki mir eine landschaftlich wirklich schöne Strecke auf Wald- und Wiesenwegen.




Gegen 13 Uhr wird es mir dann in meiner langen Hose zu warm. Die Sonne ist schon lange da und wärmt unheimlich. In einem Park am Wegesrand tausche ich sie gegen eine kurze Hose.


Ich fahre durch einige kleinere Ortschaften bis ich etwa 12 Kilometer einem Eisenbahnlängsweg folge, der schön eben und schnurgeradeaus zwischen Bahngleisen und Feldern entlang führt. Ein Feld sticht mir besonders ins Auge, ich mache einen Schlenker auf die andere Straßenseite und schaue genauer hin, es sind tatsächlich Erbsen.

Den Anbau dieses Gemüses kenne ich nur aus dem Garten meiner Eltern und Kindheitserinnerungen werden wach. Zu dieser Zeit habe ich Erbsen nur frisch aus der Schote gegessen, gekocht oder gar aus der Dose habe ich sie nicht gemocht. Ich pflücke mir ein paar ab, öffne die Schote und probiere, sie schmecken genau wie damals. Dann ziehe ich das ungenießbare Häutchen von der Schote, so wie es mir meine Mutter beigebracht hat, und esse auch diese. Dabei denke ich an den liebevoll gestalteten Gemüsegarten meiner Eltern und an die vielen Früchte und Gemüse zum Naschen. Oft war der Wurm drin aber lecker waren sie trotzdem. Nach der unerwarteten Reise in die Vergangenheit setze ich meine Tour fort.


Gegen 14.30 Uhr erreiche ich Stendal. Auch hier verzichte ich auf die Besichtigung der Altstadt. Auf einer Wiese an der Hochschule mache ich Mittag. Inzwischen ist es schön warm und ich setze mich zum Essen aufs Gras.


Auf dem letzten Viertel meiner Strecke durch die Altmark fahre ich nach Nordwesten, also gegen den Wind. Hinter Borstel komme ich auf die B189, die über einen schönen Radweg verfügt.


Ich muss etwas gegen den Wind ankämpfen, dafür ist der Radweg an der Bundesstraße schön glatt und eben.


Ab Osterburg komme ich auf eine kleinere Landstraße und fahre durch 2-3 kleinere Ortschaften.


Etwa 20 Kilometer vor dem Ziel stehe ich in Röthenberg vor einer zugewachsenen Wiese. Ich kurve durch den Ort, der aus wenigen Häusern und Bauernhöfen besteht und finde keinen anderen Weg in die gewünschte Richtung. Meine Freizeitkarte von der Altmark macht mich auch nicht schlauer, von den geschätzten 20 Dorfbewohnern lässt sich keiner blicken. Nach der 2. Dorfrunde kann ich dann doch jemanden nach dem Weg fragen.

Der von Naviki vorgeschlagene Pfad scheint doch zu existieren, man müsse direkt am Kornfeld entlang fahren, dann vor dem Wald rechts, links, geradeaus... Ich strenge mich an, einen Weg zu erkennen und sehe nur hohes Gras, das wird bestimmt wieder so eine Schiebestrecke, nein danke. Ich nehme lieber die etwas weitere Alternative über Landstraße nach Bretsch, meinem nächsten Ort auf der Tour. Der nette Einheimische schickt mich über einen breiteren Feldweg, dann folgt ein DDR-Plattenweg bis zur Straße

Ich hatte schon fast wieder vergessen, wie mies sich die typischen DDR-Plattenwege befahren lassen. Die Absätze von einer Platte zur anderen muss man in Kauf nehmen. Den mehr oder weniger tiefen Löchern, die flächendeckend auf den Platten verteilt sind, kann man nur ausweichen, wenn man auf einem schmalen Streifen zwischen der letzten Lochreihe und der Grasnarbe balanciert. Meist schaffe ich nicht, die Spur zu halten und erwische ein Schlagloch nach dem anderen.


Aber irgendwann ist auch diese Strecke gemeistert. Das Navi brauche ich nicht mehr, ich fahre lieber nach Karte weiter auf der Landstraße durch Dewitz, Gagel, Neulingen bis nach Leppin.


Hier ist Arendsee ausgeschildert, es sind nur noch wenige Kilometer. Um 19 Uhr habe ich mein Ziel erreicht, der Arendsee liegt vor mir und schimmert schön in der tief stehenden Sonne.


Ich komme auf einen schönen Weg der in Ufernähe am See entlangführt. Fast der gesamte Bereich um den See ist bewaldet.


Der Arendsee ist mit über 5 km² Wasserfläche der größte natürliche See in Sachsen-Anhalt. Mit 50 Metern ist er auch einer der tiefsten Seen Norddeutschlands. Entstanden ist er durch mehrere Einbrüche des Untergrundes. Einige Abzweigungen gehen von dem Hauptweg ab und führen zum Ufer. Hier hat man einen schönen Blick auf den See.


Nach wenigen Kilometern führt mich Naviki vom Ufer weg. Ich fahre an einem Ferienhausgebiet vorbei, dann komme ich auf die Lüchower Straße, wo sich einer der beiden Campingplätze  befindet.


Sehr ruhig ist es hier und nicht überlaufen, aber auch nicht in Ufernähe. Ich unterhalte mich nett mit dem Fahrer eines Wohnmobils, neben dem ich mein Zelt aufbaue. Dann genieße ich noch etwas die Abendsonne, esse eine Kleinigkeit und gehe mit Anbruch der Dunkelheit schlafen.


Route Edemissen - Gardelegen

Route Gardelegen-Arendsee







Sonntag, 18. Juni 2017
Arendsee - Edemissen
126 km



Die Nacht war absolut ruhig, ich habe gut geschlafen und krieche um 6 Uhr aus dem Schlafsack. Es ist wieder bedeckt und noch ziemlich kühl. Mein Zelt ist klitschnass vom Morgentau, so muss ich es leider einpacken und heute Abend noch einmal aufhängen.

Um 7 Uhr sitze ich auf dem Rad und fahre noch einmal zum See, von dem ich gestern nicht mehr viel gesehen habe. Einen direkten Zugang vom Campingplatz gibt es nicht, ich muss ein Stück an der Straße entlang und dann durch den Wald der den See umrundet.


Auf dem Uferweg fahre ich ein Stück am Ufer entlang. Dann stelle ich das Rad ab und gehe auf einen Steg, der ins Wasser hineinragt. Der See liegt ruhig im Morgendurst.


Mit Ausnahme eines einzelnen Joggers bin ich allein unterwegs, so früh am Morgen schlafen noch alle. Ein Stück weiter passiere ich einen kleinen Anleger mit einigen Booten. Ich schaue mich noch eine Weile um und glaube, dass ich hier nichts verpasse. Deshalb fahre ich zur Straße am Campingplatz zurück und lade die Route für die Rückfahrt aufs Navi.


Aufgrund des zu erwartenden Gegenwinds habe ich die Rückfahrt auf dem direkten Weg geplant. Der Wind ist zum Glück wie vorhergesagt deutlich schwächer als gestern. Ich komme schnell an die B190 und freue mich über den bequemen Radweg, bis Naviki kurz darauf auf einen holperigen Feldweg schickt. Eigentlich möchte ich nicht so gerne abbiegen, füge mich aber, schließlich habe ich die Route so geplant. Nach einigen Metern soll ich dann nochmal abbiegen, auf einen Waldweg, der wadenhoch mit Gras zugewachsen ist. Och nö, hier ist mit Sicherheit schon ewig keiner mehr lang gefahren, wer weiß was mich dann im Wald noch so alles erwartet. Außerdem ist das Gras nass und ich fröstele etwas mit meinen nackten Beinen in der kurzen Hose.


Ich schaue auf die Übersicht bei Naviki und sehe, dass noch einige solcher Strecken geplant sind - Wegbeschaffenheit ungewiss. Das muss ich heute nicht haben, kurzerhand schalte ich das Navi aus und drehe wieder um. Ich schaue auf meine Freizeitkarte und fahre zurück zur Bundesstraße. Hier geht es erst einmal weiter bis Salzwedel.

Ein Schild bringt mich zum Schmunzeln - die Begeisterung habe ich längst entdeckt.


Ich komme gut vorwärts und bin froh über meine Entscheidung gegen den Feldweg. In Salzwedel schaue ich nach einer offenen Bäckerei, es ist immer noch kühl und ich möchte bei einem heißen Kaffee in Ruhe die Karte studieren. Aber auf dem Weg ist nichts zu finden, ich schlage die Richtung Wolfsburg ein, bis Ehra könnte ich auf der B248 fahren.


Nachdem ich Salzwedel verlassen habe, sehe ich in dem Ort Sienau eine schöne Bank an der Kapelle vor einem Friedhof. Heißes Wasser habe ich mir heute früh gekocht, ein Brötchen von gestern, Wurst, Gurke, Äpfel und noch einiges mehr habe ich dabei. Dass sollte fürs Frühstück langen.


Beim Essen vergewissere ich mich noch einmal mit einem Blick in die Karte, ob die Wahl der Strecke optimal ist, ich denke ja. Also kann ich die kommenden etwa 45 Kilometer durchfahren ohne nach dem Weg suchen zu müssen.


Der Weg an der Bundesstraße ist gar nicht schlecht. Zwischendurch gibt es immer mal Etappen ohne Radweg aber am heutigen Sonntag herrscht relativ wenig Verkehr.


Meistens fahre ich auf dem Radweg. Inzwischen ist der Himmel fast wolkenlos und ich habe eine wunderbare Fernsicht. Roter Klatschmohn und blaue Kornblumen blühen am Wegesrand vor den Kornfeldern.


Jetzt ist mir inzwischen warm, meine Jacke habe ich in der Tasche verstaut. Ich fahre durch Ortschaften, dann wieder lange Zeit über weite Felder. Überall ist es grün, verschiedene Wildblumen blühen in allen möglichen Farben.


Es wird immer heißer, vor Mellin halte ich an, ziehe auch mein T-Shirt, was ich über dem Muskelshirt trage, aus. Dann krame ich das Käppi aus der Tasche, um mein Gesicht vor der Sonne zu schützen.


Manchmal führt die Bundesstraße durch den Wald, diese Passagen sind mir heute sehr willkommen.


Kurz vor Brome sehe ich die Gedenktafel der deutsch-deutschen Teilung und überfahre gleichzeitig die Grenze zu Niedersachsen. Die Hälfte des Rückweges habe ich geschafft.

Obwohl der Gegenwind nur schwach weht und ich aufgrund des glatten Fahrwegbelages besser voran komme als gestern, zieht es sich ganz schön. Meine Beine brennen und mein Hintern schmerzt, vielleicht habe ich es gestern doch etwas übertrieben. Aber was solls, mir bleibt nichts anderes übrig als weiter zu treten.


In Ehra verlasse ich die Bundesstraße, den weiteren Weg kenne ich. Hier war ich schon ein paar Mal mit dem Rad zu Besuch bei Conni und Florian.

Die Landstraße verlasse ich in Lessin und komme auf einem gut befahrbaren Weg durch den Wald nach Grusendorf.


Nach dem Dorfplatz in Stüde überquere ich den Elbe-Seiten-Kanal.


Jetzt bin ich im Naturschutzgebiet Großes Moor. Hier wird großflächig Torf abgebaut.


Der als Moorkolonie gegründete Ort Neudorf-Platendorf reicht bis in das Moor hinein. Ich fahre auf die Dorfstraße, die mit 6 Kilometern die längste gerade Ortsdurchfahrt Niedersachsens ist. Dann kommt der Ort Triangel, von dort erreiche ich die B188.

Weitere 15 Kilometer Bundesstraße bis Meinersen liegen vor mir. Dann fahre ich über Seershausen nach Ohof, überquere die B214 und komme über Plockhorst nach Wehnsen.

Jetzt habe ich es fast geschafft, ich befahre die letzte Bundesstraße für heute, die B444. Meine Beine sind immer noch ziemlich lahm und die Sonne knallt ganz schön. Um 16.30 erreiche ich Edemissen.
Ich bin k.o., habe noch einiges zu erledigen, vor allem muss ich das Zelt zum Trocknen auspacken.

Dann falle ich in meinen Liegestuhl, genieße die abendlichen Sonnenstrahlen und lasse meinen schönen Kurztrip Revue passieren. Für den Rest des Abends bewege ich mich nicht mehr vom Fleck.











15.06.17

Mai-Urlaub Teil 3



Mai-Urlaub Teil 3
Schwetzingen - Bückeburg
21. Mai - 24. Mai 2017
698 km







Tag 11
Sonntag, 21. Mai 2017
Schwetzingen - Rüdesheim
136 km

Die Wetterprognose für die nächsten Tage sieht ganz gut aus. Es soll wieder wärmer werden und weitestgehend trocken bleiben, allerdings könnten vereinzelt Gewitterschauer auftreten. Das Risiko nehme ich in Kauf. Gestern habe ich beschlossen, die Rückfahrt alleine und dieses Mal mit dem Zelt in Angriff zu nehmen.

Es ist 5.50 Uhr in der Frühe, der Himmel ist wolkenlos bei noch kühlen 7 Grad. Ich befestige die 4 Packtaschen am Rad. Zum ersten Mal benutze ich den Lowrider für die kleineren Vorderradtaschen.
Ich drehe einige Proberunden, das Fahren ist sehr ungewohnt und das Rad bewegt sich mit dem ganzen Gepäck schwerfällig. Dann verabschiede ich mich von Peter und mache mich auf den Weg.


Zuerst fahre ich nach Fahrradschildern Richtung Mannheim. Im Industriegebiet Rheinauhafen geht es an einer großen Straße entlang, rechts und links davon verlaufen Schienen, ein Radweg ist nicht vorhanden. Zum Glück ist Sonntag und nicht so viel Verkehr. Auf einer großen Brücke über die Bahn komme ich in den Stadtteil Schwetzingerstadt.


Dann erreiche ich den Friedrichsplatz vor der Innenstadt. Der 60 Meter hohe Wasserturm ist ein bekanntes Wahrzeichen von Mannheim und mit der Brunnenanlage rings herum schön anzusehen.


Jetzt wird es schwierig mit Schildern, ich mache das Navi an und gebe Worms ein, weil ich auf der linken Seite fahren möchte. Naviki führt mich durch ein tristes Industriegebiet am Neckar entlang und nach seiner Mündung am Rhein entlang.


Eigentlich wollte ich über die Brücke nach Ludwigshafen und von dort nach Worms aber Naviki hat etwas anderes mit mir vor. Ehe ich es mich versehe, stehe ich in einer Sackgasse zwischen Rhein und Altrheinhafen. Eine Fähre soll mich nach Sandhofen übersetzen. Alles gut und schön, die Personenfähre nimmt ab 10 Uhr ihren Betrieb auf, jetzt ist es gerade halb 8 Uhr.

Ich blättere in meiner kleinen Fahrradkarte und versuche, mich zu orientieren. Da hier immer nur Abschnitte abgebildet sind, fehlt mir der Überblick. Ein Passant sagt, ich müsse den "ganzen" Weg zurück, was auch immer er damit meint. Zum Glück ist es dann doch nicht so schlimm, ich umrunde das Industriegebiet und komme auf eine Straße. Nach etwa 5 Kilometern kommt eine Brücke und ich kann den Altrheinhafen hinter mir lassen.


Da ich einige Tage unterwegs sein werde und nicht weiß, wie lange Akku und Powerbank reichen, möchte ich das Navi nicht dauernd laufen lassen. Hier muss ich es aber wieder einschalten, ich bin noch nicht auf dem Rheinradweg. Ich gebe Lampertheim ein, dann werde ich die Fahrradschilder schon entdecken. Nach Worms auf die andere Seite will ich jetzt auch nicht mehr.

Wenn ich meine, ich komme mit Schildern weiter, schalte ich das Navi aus. Und prompt finde ich kein Anschlussschild mehr und muss mich wieder durchfragen. Der Rheinradweg führt hier auch nicht direkt am Rhein entlang, deshalb kommt es noch einige Male vor, dass ich mich verfahre. Ich komme durch Rosengarten und Biblis. Ziemlich viel Industrie gibt es hier in dieser Ecke, ein kleiner Sportboothafen lockert das Bild etwas auf.


In Gernsheim nehme ich dann die Fähre auf die andere Seite des Rheins. Vielleicht läufts ja hier etwas besser. Direkt am Rhein steht eine schöne Bank in der Sonne,  es ist inzwischen 11 Uhr und ich muss erst einmal etwas essen.


Gestärkt mache ich mich wieder auf den Weg. Erst am Rhein entlang, dann am Rheindeich.


Jetzt bin ich auf der Strecke und es geht Richtung Oppenheim. Der Weg ist sehr schön - bis das Durchfahrt-Verboten-Schild kommt. Ein Jogger läuft trotzdem weiter und ein Radler kommt mir entgegen. Ich frage nach und ignoriere das Schild ebenfalls, angeblich kann man den Weg benutzen.


Anfangs schön, trocken und sandig, später wird es sehr steinig und holperig. Vielleicht wäre die Umleitungsstrecke schöner gewesen, wer weiß. Die Holperpiste zieht sich ewig hin, dann fahre ich endlich auf einem asphaltierten Weg auf Oppenheim zu.


Im nächsten Ort, in Niernstein, komme ich in die Weinberge. Toller Weg, tolle Aussicht, nur etwas hügelig, weiter unten fließt der Rhein.


Der Radweg führt noch eine Weile neben den Bahngleisen her, inzwischen ist er schön eben.


In der Ferne sehe ich eine Brücke, das muss die A60 sein, also ist Mainz nicht mehr weit.


Der Radweg wird voller, die ersten Geschäfte und Lokale stehen am Wegesrand. Die Großstadt kündigt sich an. Mainz ist als Landeshauptstadt auch die größte Stadt von Rheinland Pfalz.


Langsam fahre ich zwischen den Fußgängern hindurch und genieße den Großstadtflair. Schön ist es hier, die Sonne scheint, der Rhein fließt direkt neben mir. Ich komme auf die Theodor-Heuss-Brücke zu. Hier möchte ich wieder die Seite wechseln. Der Weg zur Brücke geht relativ steil bergan, ich steige ab und schiebe das schwere Rad. Von oben schaue ich direkt auf den Mainzstrand am Adenauerufer. Die Chill- und Partyzone am Rhein ist am heutigen Sonntag bei dem zauberhaften Wetter gut besucht.

Es ist 13.30 Uhr und trotz der anfänglichen Umwege liege ich gut in der Zeit. Bestimmt komme ich heute etwas weiter als geplant. Ich schwinge mich wieder auf den Sattel und merke sofort, dass irgendwas nicht stimmt. Das Fahrgefühl ist anders, das Rad schwimmt irgendwie. Ich untersuche alles und sehe mit Erschrecken den platten Hinterreifen. Na toll, meine gute Laune schwindet schlagartig.

Ich krame in allen 4 Taschen nach meiner Luftpumpe und finde sie in der letzten. Vielleicht liegt es ja nur am Ventil. Nach ein paar Pumpversuchen tut sich gar nichts. Kein Wunder - die Taschen müssen ab. Nochmal pumpen, wieder nichts. Der Schweiß tropft mir von der Stirn.

Das neue Rad habe ich noch nie auseinandergebaut, keine Ahnung ob ich das hinbekomme. Mein nächster Gedanke gilt einem Fahrradgeschäft. Will gerade jemanden fragen, da fällt mir ein, dass heute Sonntag ist. Na prima, das passt ja mal wieder. Ich schaue mich suchend um. Die immer und überall auftauchende Fahrradtruppe rüstiger Rentner könnte mir jetzt weiter helfen. Aber von den vorbeifahrenden Passanten ist niemand dabei, den ich um Hilfe bitten könnte.

Ich muss aus der Sonne raus und schiebe das voll bepackte Rad über die Brücke. Sollte ein spitzer Gegenstand im Mantel feststecken, wird der Schlauch nachher aussehen wie ein Sieb, ich mag gar nicht dran denken. An Ende der Brücke befindet sich ein Busbahnhof. Hier ist es überdacht und schattig.


Ich nehme alle Taschen ab, krame meine Zeltplane heraus und drehe das Rad um. Habe zum Glück das Notdürftigste dabei: Flickzeug, Luftpumpe, passendes Werkzeug und vor allem den Pitlock-Schlüssel zum Lösen der Narbe. Dann fange ich an zu schrauben, habe aber Angst, dass ich das Rad hinterher nicht mehr zusammen bekomme und will schon wieder aufgeben.

In dem Moment taucht ein junger Mann auf, Typ Spätstudent mit Jesuslatschen, kurzer Hose und Zopf. Er meint, er hätte es zwar eilig und würde sich mit dem Rad auch nicht auskennen aber er gibt mir seelische Unterstützung und ermutigt mich zum Weitermachen. Ich baue das Rad aus, er zieht den Mantel ab und flickt mir in Nullkommanix den Schlauch - das hätten ich auch selbst hinbekommen, aber ich bin dankbar für jede Unterstützung. Ich suche währenddessen nach dem Corpus delicti im Mantel - ohne Erfolg.

Der nette Kerl schafft es auch nach 5-maliger Erinnerung nicht, mich zu duzen - sehe ich denn wirklich schon so alt aus? Dann verabschiedet er sich mit großem Bedauern und ich stehe da mit meinem Talent.

Jetzt nicht nervös werden, ich halte noch einmal vergeblich nach dem rüstigen Rentner Ausschau, dann mache ich mich ans Werk. Der Faltmantel lässt sich leicht aufziehen. Nach dem Motto: learning by doing brauche ich etwas Geduld und einige Versuche. Doch dann sitzt das Rad am richtigen Platz und dreht sich ohne zu schleifen! Meine Finger sind schwarz, der Schweiß läuft mir in die Augen aber ich bin stolz, es geschafft zu haben.Wenn man erst einmal weiß wie es geht, ist es gar nicht so schwer.

Ich pumpe auf, drehe das Rad wieder um, packe das ganze Zeug zusammen und hänge die Taschen an. Mit Feuchttüchern wische ich die gröbste Schmiere von meinen Händen.


Noch sehr misstrauisch fahre ich die ersten Meter und vermeide Schlaglöcher, vorerst hält die Luft. So richtig stramm habe ich den Reifen mit der kleinen Handpumpe nicht bekommen. Ich fahre die Abfahrt in einer großen Kurve hinunter, komme unter der Brücke  hindurch.


Rheinland-Pfalz habe ich mit Überqueren der Brücke verlassen, die rechtsrheinische Seite befindet sich in Hessen. Ich fahre in den Wiesbadener Vorort Biebrich. Dort steht eins der schönsten Lustschlossanlagen Deutschlands, das Schloss Biebrich.


Der Radweg führt auch in Wiesbaden direkt am Ufer entlang. Die Luft in meinem Reifen hält immer noch, ich kann es kaum glauben. Jetzt habe ich wieder Augen für die Schönheit der Umgebung.


Claudia spricht mich an und wir fahren ein Stück gemeinsam. Wir unterhalten uns nett über Frauenpower, Aktivurlaub und alles mögliche.


Sie kommt aus Wiesbaden und kennt sich hier gut aus. Das Fahren mit ihr macht Spaß, leider sind die Wege aufgrund des Sonntags und des traumhaften Wetters sehr voll. Wir fahren in Schlangenlinien um die vielen Fußgänger herum und kommen nur langsam voran. Wein- und Biergärten am Wegrand sind gut besucht.


In Eltville möchte Claudia ein Glas Wein mit mir trinken, doch durch meinen unfreiwilligen Aufenthalt habe ich keine Ruhe mehr und lehne mit Bedauern ab. Begegnungen dieser Art bereichern so eine Tour ungemein. Am nächsten Weingarten trennen sich unsere Wege und Claudia verschwindet im Menschengewusel.


Ich versuche am Rheinufer noch einmal, mir den Dreck von Händen und Gesicht zu waschen und setze meinen Weg fort.


Außerhalb der Ortschaften ist der Radweg wieder frei und ich kann etwas schneller fahren.


In ca. 15 Kilometern liegt ein Campingplatz direkt am Weg. Ich bin kurz vor Rüdesheim, es ist erst 17.15 Uhr. Eigentlich könnte ich noch ein paar Kilometer reißen aber bin nicht sicher, wie weit der nächste Platz entfernt liegt und wie lange die Rezeption dort besetzt ist. Also checke ich hier für 15.30 € ein und genieße den langen Abend nach einem ereignisreichen Tag.








Tag 12
Montag, 22. Mai 2017
Rüdesheim - Merkenich (Köln)
190 km


Mein Wecker klingelt um 4.15 Uhr. Ich ziehe mich an und rolle im Halbdunkel Schlafsack und Luftmatratze zusammen. Letzteres ist ein Kraftakt, die Verstauung in den Packsack nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Der Kleinkram kommt in die Fahrradtaschen, hierbei muss ich mich noch besser organisieren um unnötiges Suchen zu vermeiden. Im Waschraum koche mir mit meinem Reisetauchsieder in der Thermoskanne heißes Wasser für den Cappuccino. Das Zelt, noch feucht vom Morgentau, es ist ruck zuck abgebaut und verstaut. Um 5.40 sitze ich auf dem Rad, die Sonne geht gerade auf.


Ich überlege, ob ich nach Bingen übersetze oder auf dieser Seite des Rheins bleibe. Ein Hinweisschild "Steigungen - nur für geübte Radfahrer" nimmt mir die Entscheidung ab und ich nehme die Fähre. Da es eine Autofähre ist, ist sie schon so früh am Morgen in Betrieb. An Bord ist es windig und frisch. Ich ziehe die Regenjacke als Windschutz über uns setze sogar die Kapuze auf. Dann fahre ich linksrheinisch weiter.


Hier stellt dann der Fotoapparat seinen Dienst ein, Akku leer! Damit musste ich rechnen, bin ja schon seit 12 Tagen unterwegs. Am Rheinradweg brauche ich kein Navi und kann mit dem Handy fotografieren. Motive gibt es hier genug, ich bin überwältigt von dem Panorama. Morgendlicher Nebel steht über dem Wasser, die Sonne ist noch hinter den Bergen versteckt aber der Himmel ist wolkenlos.


Mit dem Handy kann ich nicht während der Fahrt fotografieren, muss deshalb andauernd anhalten um die Schönheit um mich herum festzuhalten.

Es ist einfach traumhaft hier. Jetzt kommt die Sonne hinter den Bergen hervor und so langsam wird mir warm.


Der Rheinradweg ist hier fast ausnahmslos gepflastert oder asphaltiert. Die Bahnlinie ist ebenfalls in
der Nähe.


Einige kleine Ortschaften liegen auf der Strecke, fast keine davon ist ohne Burg oder Ruine am Hang.


Um 8 Uhr bin ich in Oberwesel, setze ich mich in den Dorfpark und frühstücke auf einer Bank in der Sonne. Das heiße Wasser reicht noch für einen weiteren Cappuccino, Brot, Käse und Wurst habe ich auch dabei.

Ich genieße meinen Urlaub, das schöne Wetter und die wunderschöne Gegend.


Kurz vor St. Goar befindet sich auf der gegenüber liegenden Rheinseite die Loreley. Der Schieferfelsen an der Innenseite einer Rheinkurve ragt 132 Meter in die Höhe. Der Sage nach saß hier ein hübsches Mädchen namens Loreley, kämmte ihr goldenes langes Haar und sang dabei eine liebliche Melodie. Das war so bezaubernd, dass viele Schiffer zu ihr hinauf sahen, auf die gefährlichen Riffe und Felsen des Rheins fuhren und dabei ums Leben kamen.  


Manchmal geht es ein Stück an der Straße entlang, fast immer ist ein Radweg vorhanden.


Dann kommen wieder schön angelegte Parkanlagen und immer ist der Rhein in Sichtweite. Es gibt unendlich viele Motive zum Fotografieren.


Der Rhein fließt kurvig dahin, eben umfahre ich einen Bauernhof, einige Kühe schauen mir kauend hinterher. Dann durchfahre ich Boppard, hier bin ich mit Peter im Rahmen unserer Lahntour  vor wenigen Jahren schon einmal gewesen.


Nach ein paar Kilometern mündet in Lahnstein auf der gegenüberliegenden Seite die Lahn in den Rhein. Kurz darauf bin ich in Koblenz. Auf der linken Seite des Radweges steht das Kurfürstliche Schloss mit dem Görres-Denkmal in den Rheinanlagen.


Ich fahre unter der Seilbahn hindurch, die die Rheinanlagen auf Höhe der Basilika S.Kastor mit dem Plateau vor der Festung Ehrenbreitstein auf der anderen Rheinseite verbindet.


Und dann bin ich am Deutschen Eck, einer künstlich aufgeschütteten Landzunge und Wahrzeichen von Koblenz. Hier mündet die Mosel in den Rhein. Es ist kurz vor halb 12 Uhr und Montag, viele Touristen sind nicht unterwegs. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, ein monumentales Reiterstandbild des ersten Deutschen Kaisers steht vor mir in der Sonne.


Nach dem obligatorischen Foto verlasse ich das Deutsche Eck und überquere die Mosel auf der Balduinbrücke. Im Koblenzer Stadtteil Lützel komme ich wieder an den Rhein und fahre linksrheinisch weiter.


Es lässt sich herrlich fahren, die Sonne lacht vom Himmel und es ist schön warm.


In Andernach fahre ich durch die schön angelegte Rheinpromenade. Ein Rheindampfer fährt leise vorbei. Es ist kurz nach 13 Uhr und Zeit für eine kleine Pause. Ich setze mich auf eine der Bänke am Rhein und esse eine Kleinigkeit.


Im Hintergrund führt die A9 auf einer Brücke um einen Berg in der Rheinkurve herum. Ich mache mich wieder auf den Weg.


Eine Weile führt der Radweg in der Nähe der Bahn und der A9 weiter. Dann wird es romantisch, die Gegend ist sehr abwechslungsreich.



Schon von weitem ist die Apollinariskirche auf einem Hang in Remagen zu sehen. Die Stadt wurde bekannt durch die im März 1945 von der US-Army eingenommene Ludendorff-Brücke, besser bekannt als Brücke von Remagen.


Einige Kilometer weiter ist auf der anderen Seite des Rheins der Drachenfels im Siebengebirge mit der Burgruine bei Bad Honnef zu bewundern. Kurz dahinter befindet sich am Nordhang Schloss Drachenburg über der Stadt Königswinter.


Ich fahre direkt am Rheinufer weiter während ich die Gegend bewundere. Die Städte Bad Godesberg und Bonn auf meiner Seite lasse ich links liegen. Dann umfahre ich den Godorfer Hafen.


Kurze Zeit später kündigt die A2, die auf der Rodenkirchener Brücke den Rhein überquert, Köln an. Das Bootshaus "Alte Liebe", ein Restaurant, liegt am Ufer und im Hintergrund ist die Silhouette der Stadt mit den Kirchturmspitzen des Kölner Doms zu sehen.


Mit mehr als 1 Million Einwohnern ist Köln die bevölkerungsreichste Stadt in Nordrhein-Westfalen. Der Rhein fließt an der Altstadt vorbei, den Weg direkt am Ufer teile ich mir mit anderen Radlern und unzähligen Fußgängern. Es ist 18 Uhr und viele verbringen ihren Feierabend draußen am Rhein.


Den Kölner Dom in der Nähe des Hauptbahnhofs fotografiere ich von weitem und spare mir den zeitraubenden Gang in die Innenstadt.


Nachdem ich die Großstadt hinter mir gelassen habe, wird es wieder ruhiger. Ich passiere den Nieler Hafen und dann ein großes Industriegebiet. Bei Merkenich, einem Stadtteil von Köln komme ich wieder an den Rhein.

Hier befindet sich am Rheinradweg direkt am Ufer ein kleiner Campingplatz. Ich suche vergeblich die Rezeption, nette Campingbesucher helfen mir weiter. Der Chef, ein älterer Herr mit Krücken sitzt mit Gästen vor deren Wohnwagen und klönt. Ich gebe ihm 8 Euro, bekomme eine Duschmarke und kann mein Zelt auf der fast leeren Zeltwiese aufbauen. Die sanitären Anlagen auf der anderen Seite des Radweges sind sehr einfach aber zweckmäßig. Zum Glück habe ich noch genügend Essen dabei, das Lokal mit bürgerlicher Küche hat heute geschlossen. Nach dem Duschen koche ich mir Wasser für meine Tütensuppe und lasse den Abend gegen 21 Uhr ausklingen.







Tag 13
Dienstag, 23. Mai 2017
Merkenich - Münster 
188 km


Mein Handy weckt mich wieder um 4.15 Uhr. Ich bin fit und stehe gleich auf. Auch heute ist wunderbares Wetter mit relativ milden 16 Grad. In der Nacht meine ich im Halbschlaf Regen gehört zu haben aber das war wohl das Rauschen des Laubbaumes unter dem ich stehe oder die entfernte Autobahn. Heute früh ist sogar das Zelt trocken. Ich packe alles zusammen und radele um 5.30 Uhr los, die Sonne geht gerade auf.



Auf dem Rheindeich sind einige wenige Radler ebenfalls so früh unterwegs, wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit. Ich genieße die Stille am frühen Morgen und fahre eine ganze Weile. Der Weg am Deich zweigt einige Male ab und ich deute ein Schild falsch. Dann schaffe ich es tatsächlich, mich zu verfransen. Der Weg in der Rheinaue wird immer schlechter und ich hoffe, nicht umdrehen zu müssen. Nach einer Baumallee trennt mich eine große Wiese vom Deich, den ich von weitem sehen kann.


Ich arbeite mich über einen Trampelpfad vorwärts und habe nach einer Schiebestrecke endlich wieder festen Boden unter den Reifen. Auf dem Deich sehe ich die Feste Zons vor mir. Das mittelalterliche Städtchen verfügt über eine einzigartig erhaltene Befestigungsanlage aus dem 14. Jahrhundert.


In Uedesheim möchte ich mit der Fähre die Rheinseite wechseln um nach Düsseldorf zu kommen. Die Fähre suche ich vergeblich, stattdessen finde ich nach wenigen Kilometern eine Auffahrt zur Fleher Brücke. Die Brücke der A46 zwischen Neuss und Düsseldorf verfügt über einen Radstreifen und bringt mich über den Rhein in den Stadtteil Flehe.


Auf der anderen Seite angekommen, mache ich Frühstückspause auf einer Bank am Rheinufer. Es ist 8 Uhr, ich habe mir unterwegs Brötchen und Kuchen gekauft, heißes Wasser für Cappuccino habe ich bereits heute früh auf dem Campingplatz gekocht.


Nach dem Frühstück fahre ich weiter am rechten Ufer entlang bis zum Düsseldorfer Hafen. Der am dünnsten besiedelte Stadtteil wurde lange nicht wahrgenommen, da der größte Bereich Industrieareal ist. Die seit den 1990er Jahren einsetzende Umwidmung zum Medienhafen und die Neubebauung brachten das Gebiet wieder ins öffentliche Bewusstsein. Der Neue Zollhof zum Beispiel ist ein architektonisch ambitioniertes Gebäudeensemble und besonderer Blickfang.



Auf der Brücke zur Hafeneinfahrt habe ich einen schönen Blick auf den Rhein, die nächsten Brücken und die Skyline von Düsseldorf.


Es ist erst 8.50 Uhr als ich über Düsseldorfs Rheinuferpromenade fahre. Die Bestuhlung in den Gaststätten ist noch zusammen gestellt und der Betrieb ruht. Ich passiere den Schlossturm, heute ein Schifffahrtsmuseum, direkt dahinter ragt der Turm der St. Lambertus Kirche in die Höhe.


Noch einige andere Sehenswürdigkeiten von Düsseldorf liegen auf meiner Strecke, dann verlasse ich die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen wieder. Es wird ruhiger auf dem Rheinradweg, nur einige Frachtkähne auf dem Rhein begleiten mich.


Eine knappe Stunde später kann ich die ersten Industrie-Schornsteine von Duisburg erblicken. Dann lande ich auf dem Rheindeich in einer Sackgasse weil ich ein "Gesperrt-Schild" ignoriert habe. Ich muss umdrehen und nehme den ausgeschilderten Weg. 


Bis Duisburg-Ruhrort möchte ich am Rheinradweg bleiben. Dort hoffe ich dann auf den Rhein-Herne-Kanal zu stoßen und danach auf den Dortmund-Ems-Kanal bis Münster, wo ich übernachten möchte. Ob die Kanäle befahrbar sind, weiß ich nicht.

Ich versuche, den Schildern zu folgen und fahre einige Male falsch. In der hässlichen Vorstadt von Duisburg verliere ich die Beschilderung schon wieder. Jetzt mache ich das Navi an, will so schnell wie möglich raus aus der Stadt und disponiere um. Statt Ruhrort gebe ich Herne ein und spare einen großen Umweg, Steigungen sind hier nicht zu erwarten.

Naviki führt mich erst durch Mülheim, hier überquere ich die Ruhr. Eine schöne Stadt, ich bedaure sehr, dass ich keine Fotos mehr machen kann. Aber die Navifunktion ist mir jetzt wichtiger.

Hinter Essen komme ich auf einen sehr schön für Radler angelegten Eisenbahnlängsweg, 7 Kilometer Geradeausstrecke liegen vor mir und das Radeln macht richtig Spaß. Plötzlich geht mein Handy ohne Vorwarnung aus, sollte der Akku schon leer sein? Ohne Brille kann ich das kleine Symbol nicht erkennen. Kein Problem, ich schließe die Powerbank an aber das Handy stürzt gleich wieder ab. Etwas beunruhigt krame ich meinen Straßenatlas aus einer der Taschen und versuche mich zu orientieren. Nach einigen Umwegen erreiche ich tatsächlich den Rhein-Herne-Kanal.

Jetzt kann nicht mehr viel schief gehen - glaube ich. Aber an den Kanälen gibt es schlechte Streckenabschnitte, Häfen, Betriebsgelände und Zuflüsse, was Seitenwechsel oder Umfahrungen zur Folge hat. Nach einem Hindernis bin ich gerade wieder auf der Suche nach dem Weg zurück zum Kanal als er dann endlich auftaucht: Der rüstige Rentner! Mit E-Bike, ortskundig, hilfsbereit und gesprächig. Wir fahren nebeneinander her und unterhalten uns angeregt, während er mich zügig von einer Seite auf die andere Seite am Kanal entlangführt. Sichtlich beeindruckt von meinem Vorhaben und meiner Leistung hilft er mir gerne. Er begleitet mich eine ganze Weile und ich bedauere es sehr, als er sich verabschieden muss.

Noch lange nicht am Ziel, starte ich das Navi noch einmal aber der Akku ist schnell wieder leer. Das bedeutet, weiter durchfragen. Irgendwo stecke ich dann wieder fest und quatsche den nächsten Rentner an. Nicht mehr ganz so rüstig und deutlich langsamer als sein Vorgänger aber genauso nett und hilfsbereit bringt er mich wieder ein ganzes Stück weiter. An der B235 trennen sich unsere Wege und ich beschließe, bis nach Lüdinghausen auf der Bundesstraße zu bleiben. Die Kanalfahrten sind für mich doch nicht so gut geeignet weil das Wechseln der Seiten zu viel Zeit in Anspruch nimmt.

Ohne Probleme komme ich um 18 Uhr in Lüdinghausen an. Inzwischen hat es sich bewölkt, es ist schwül und sieht nach Gewitter aus. Bis Münster sind es noch etwa 30 Kilometer, ich rufe in der dortigen Jugendherberge an und frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Leider ist alles ausgebucht, ich erhalte die Adresse vom Campingplatz im Münsteraner Stadtteil Wolbeck und kündige mich dort an.

Ich bin froh, dass ich zur groben Orientierung den Autoatlas dabei habe obwohl der zum Radfahren aufgrund des Maßstabs nur bedingt brauchbar ist. Der Weg zieht sich unendlich in die Länge, einige Male muss ich fragen. Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich endlich in Wolbeck an und niemand weiß etwas von einem Campingplatz. Wenn ich nicht vorher dort angerufen hätte, wäre ich jetzt ernsthaft beunruhigt.

Noch einmal versuche ich es mit dem Navi. Der Campingplatz liegt am Werseufer neben dem Freibad Stapelskotten. Bis dahin sind es nochmal 6 Kilometer. Ich mache mich wieder auf den Weg, das Gewitter hat sich zum Glück verzogen, dafür weht ein böiger Wind und es ist etwas kühler geworden. Um 19.30 Uhr erreiche ich das Ufer der Werse und bin kurze Zeit später endlich am Ziel.


In einer vom Wind geschützten Ecke der Zeltwiese baue ich das Zelt auf.  Die Übernachtung kostet 14,55 €, der Campingplatz ist total schön und gepflegt.


In den modernen Sanitäranlagen sieht es besser aus wie in meinem eigenen Bad. Im Eingangsbereich grüßt  Münster mit einem hübsch gemalten Bild, Musik klingt dezent durch den Waschraum, die großzügigen Duschkabinen sind sauber und sehr modern gefliest.


Erst spät liege ich im Schlafsack und teile Peter mit, dass ich es morgen nicht bis nach Hause schaffe. Ich hoffe, bis in die Nähe von Minden zu kommen und werde mich von dort abholen lassen.





Tag 14
Mittwoch, 24. Mai 2017
Münster - Bückeburg
184 km


Heute früh gönne ich mir eine Stunde mehr Schlaf und stehe um 5.10 Uhr auf. Es ist leicht bewölkt, trocken und windstill. Um 6 Uhr mache ich mich auf den Weg und navigiere mich nach Telgte. Den Akku konnte ich über Nacht mit der Powerbank aufladen aber beim Navigieren verliert er sehr schnell an Kapazität. Das Navi werde ich also nur für kurze Strecken und im Notfall benutzen. Dafür kann ich wieder mehr Fotos machen.

Ich fahre an der Werse entlang und finde bald Fahrradschilder. Es geht durch Wald und Feld in einer abwechslungsreichen Gegend an vereinzelten Höfen vorbei.


Um die Erhebungen des Teutoburger Waldes und des Wiehengebirges zu umfahren, werde ich wieder einen Umweg in Kauf nehmen und fahre erst nach Norden bis zum Mittellandkanal. Ab dort hoffe ich dann auf wenige Seitenwechsel und eine ebene Strecke.

Teilweise fahre ich nach Fahrradschildern, manchmal nehme ich kleinere Landstraßen und halte mich an die Autoschilder. In Brock mache ich in einer Bäckerei am Weg Frühstückspause, anschließend geht es weiter bis nach Ladbergen.


Auf dem Weg nach Brochterbeck sehe ich die Ausläufer des Teutoburger Waldes vor mir. Die lassen sich nicht umfahren, laut Naviki halten sich die Steigungen aber in Grenzen.


Ich bleibe an der Straße, es läuft gut und ich komme prima voran. Hinter Brochterbeck und bei Ibbenbühren habe ich dann 2 Buckel zu überwinden, die ich aber problemlos meistere, bin ja gut im Training.


Danach geht es überwiegend bergab bis ich bei Ostersteinbeck nach 62 Kilometern gegen 11.15 Uhr den Mittellandkanal erreiche. Es geht schon gut los, gleich zu Anfang entscheide ich mich für die falsche Seite und muss an der nächsten Brücke wieder wechseln.


Der Weg ist wie erwartet schön eben aber etwas holperig. Trotzdem bin ich froh, einfach fahren zu können und nicht nach dem richtigen Weg suchen zu müssen. Das habe ich in den letzten beiden Tagen zu Genüge getan.


Noch einige Male umfahre ich ein Betriebsgelände oder schiebe eine Rampe hoch um über die Brücke auf die andere Seite des Kanals zu gelangen. Der Weg ist aber insgesamt gut zu befahren und die Gegend ist schön. Teilweise befinden sich hier Fahrradschilder, einige Themenradwege führen am Kanal entlang.


So kann ich gut verfolgen, wo ich mich gerade befinde. Gegen 13.45 Uhr bin ich auf Höhe von Bramsche und nehme mir die Zeit für eine Pause. Von heute früh habe ich noch heißes Wasser für einen Cappuccino in der Thermoskanne. Zu Essen gibt es meine eiserne Reserve, ein Paket Studentenfutter.


Dann geht es weiter immer geradeaus. Ostercappeln wird angezeigt und andere Orte, die ich nicht kenne. Hinter Bad Essen führen die Fahrradschilder vom Kanal weg und ich folge ihnen, weil eine Fabrik zu umfahren ist. Ich überquere den Kanal und entferne mich immer weiter, was nicht in meinem Sinne ist. Also wieder zurück, ein paar Mal fahre ich hin und her, dann wieder über die Brücke, um die Fabrik herum und nach einigen Anläufen bin ich wieder am Kanal.


Das wäre geschafft, jetzt kann es weiter gehen. Nach gut einem Kilometer sehe ich das Hinweisschild Richtung Bramsche. Das kann nicht sein, da komme ich ja gerade her. Sicherlich hat sich jemand einen Scherz erlaubt und das Schild verdreht. Doch das kommende Schild sagt das gleiche aus und ich werde stutzig. Jetzt fällt mir der Gegenwind auf, obwohl ich eigentlich Rückenwind haben müsste. Als mir ein Sportboot entgegen kommt, was ich schon einmal überholt habe, frage ich den Fahrer nach der Richtung. Bad Essen ist die Antwort - also bin ich tatsächlich falsch.

Meine Güte, so schwer ist es doch eigentlich nicht aber bei der Rumkurverei muss ich mich vertan haben. Also noch einmal umdrehen, wieder über die Brücke und dieses Mal den Schildern weiter folgen. Vorsichtshalber frage ich einen Jogger nach dem Weg. Wegen eines kleinen Hafens muss ich tatsächlich weiter ausholen und komme dabei auf die B65, die über einen schönen Radweg verfügt.

Jetzt habe ich eigentlich keine Lust mehr auf den Kanal und beschließe, die 45 Kilometer bis Minden hier weiter zu fahren. Ein Blick aufs Höhenprofil bei Naviki verspricht keine Berge. Also dann los, es ist kurz nach 16 Uhr, ich habe Rückenwind und einen glatten, asphaltierten Weg.


Die Entscheidung war gut, ich komme prima voran und habe fast die ganze Zeit einen Radweg. Natürlich ist die Gegend nicht mehr so schön und der Verkehr ist ziemlich laut aber aufgrund der Hinweisschilder kann ich mich gut orientieren.


Bei Lübbecke kommen mir die Höhenzüge des Wiehengebirges verdammt nahe, aber die B65 bleibt im Tal.


Gegen 18.30 Uhr erreiche ich Minden. Die Stadt reizt mich heute nicht so besonders, ich fahre am Denkmal des großen Kurfürsten vorbei und überquere die Weserbrücke.  Diese Ecke kenne ich einigermaßen, war in der Vergangenheit schon 2x hier.


Peter steckt im Stau, also habe ich noch etwas Zeit. Bis Bückeburg sind es 11 Kilometer, ich fahre weiter. Den Fahrradschildern folgend bin ich nach einer guten halben Stunde da. Für diese Stadt habe ich eine besondere Vorliebe, einige Male waren wir hier auf dem MPS und haben vorher mit dem Rad die Stadt und das Umfeld erkundet. Es fühlt sich an wie "nach Hause kommen".


Um 20.15 Uhr setze ich mich in den Biergarten der Pizzeria Pinoccio, bestelle mir ein Weizenbier und eine Pizza und beende hiermit meine wunderbare Radtour.


Kurze Zeit später trifft Peter ein. Gerne wäre ich auch die letzten 100 Kilometer bis nach Hause mit dem Rad gefahren, aber dafür reicht die Zeit heute nicht mehr. Etwas Neues hätte ich ohnehin nicht kennen gelernt, da ich die Strecke Bückeburg-Edemissen schon einige Male gefahren bin.

In den letzten 2 Wochen bin ich 1.630 Kilometer und etliche Höhenmeter mit dem Fahrrad gefahren. Habe 1x in der Jugendherberge, 1x in einer Pension und 3x im Zelt übernachtet, die anderen Nächte im Wohnmobil. Hatte eine Reifenpanne, konnte den Akku meines Fotoapparates unterwegs nicht aufladen und hatte zum Schluss Probleme mit dem Akku meines Handys. Von den 2 Ruhetagen war einer komplett verregnet. Bis auf ein paar kleine Schauer war sonst das Wetter sehr gut, überwiegend sonnig und warm. Alles in Allem hat mir die gesamte Tour viel Spaß gemacht und ich habe viele schöne Stunden erlebt.