Der
Straßenbelag auf den Nebenstrecken lässt zu wünschen übrig, ich muss einem
Schlagloch nach dem anderen ausweichen, das gelingt nicht immer. Die Landschaft
ist aber wunderschön, das Wetter spielt mit und ich habe überwiegend
Rückenwind.
Hinter
dem Ort Wilhelmshall führt Naviki mich einen Wald, dem Huy
(Hüh, von altdeutsch für Höhe). Wie der Name sagt, geht’s bergauf. Der Weg ist
eher ein Wanderweg, nicht besonders eben, dafür angenehm schattig. Hinter jeder
Kurve hoffe
ich, oben zu sein aber es geht in Sperpentienen immer weiter bergauf. Das letzte
Stück muss ich schieben, mein Hinterrad dreht
schon durch.
Die Abfahrt ist auch nicht so spaßig, der Weg ist hier noch
schlechter und teilweise mit tiefen Furchen durchzogen. Als
ich endlich aus dem Wald komme und auf einem guten Weg hinunter in die
Ortschaft Sargstedt rolle, atme ich auf und nehme mir
vor, den Huy
auf dem Rückweg zu umfahren.
Ich
komme durch verschlafene kleine Ortschaften, holpere über viel
Kopfsteinpflaster, was mir so langsam auf die Nerven geht. Die Landschaft um
mich herum ist wunderschön, die Sonne scheint von einem fast wolkenlosen blauen
Himmel.
Nach etwa 130 km mache ich an einem romantischen Platz bei Reinstedt meine Pause. Das Wasser des Mühlgrabens plätschert vor sich hin, während ich mein Käsebrot mit Bifi mit Bifi verputze. 50 km liegen noch vor mir, ich hoffe auf etwas bessere und ebenere Wege.
Dann
liegt eine schöne glatte Straße vor mir, ich freue mich auf die Weiterfahrt.
Kurz darauf schickt Naviki mich nach rechts auf einen üblen
Schotterweg den Berg hinauf.
Ich kämpfe mit der Schwerkraft, muss hin und
wieder schieben und verfluche diese Routenplanung als der Weg in einem
zugewachsenen Pfad endet.
Als
ich im nächsten Ort wieder auf einem Schotterweg den Berg hinauf geschickt
werden soll, kapituliere ich, schalte das Navi aus und krame meine Straßenkarte
aus dem Gepäck.
Auf
dem kleinen Handydisplay hat man keinen Gesamtüberblick, ich frage mich durch
und erfahre, dass ich mich in Welbsleben befinde. Ich wähle die Straße nach
Quenstedt und fahre ab hier auf die B180 bis
nach Eisleben. Der Straßenbelag ist gut, allerdings gibt es keinen Radweg und
die Berge bleiben mir nicht erspart.
Ich
fahre ganz weit rechts, die Autos rauschen an mir vorbei, aber nehmen
Rücksicht, bremsen weit hinter mir ab oder überholen im großen Bogen. Die Berge
sind anstrengend, ich gebe alles um nicht absteigen und schieben zu müssen,
meine Beine brennen. Bei den Abfahrten kann ich mich zwar etwas erholen, muss
aber stets aufpassen um nicht ins trudeln zu kommen. Schneller als 45 km/h
traue ich mich nicht, dafür ist hier zu viel Verkehr.
Ich
bin froh, als ich endlich an der Abfahrt Eisleben die Bundesstraße wieder
verlassen kann. In der Stadt schalte ich dann nochmal das Navi ein und fahre
die verbleibenden 12 km bis Seeburg auf einer schönen ruhigen
Nebenstrecke durch die Natur. Hinter
Wormsleben komme ich endlich an den „Süßen
See“.
Es geht noch ein ganzes Stück am Ufer entlang bis ich um 17.30 Uhr nach
12 Stunden Fahrt abgekämpft den Campingplatz Seeburg erreiche. Ich
checke ein und darf mir für 10,50 € incl. Duschmarke einen Platz auf der
Zeltwiese aussuchen. Nach dem Zeltaufbau spüle ich mir unter der Dusche den
Schweiß und Staub von der langen Fahrt ab.
Auf
der Veranda der Rezeption unweit meines Zeltes finde ich einen gemütlichen
Sitzplatz mit Steckdose und kann mein Handy aufladen, die Powerbank habe ich
zuhause vergessen. Ich genieße die Entspannung, esse in Ruhe Abendbrot und
stelle mir mit Hilfe der Landkarte eine Route für den morgigen Rückweg
zusammen.
Dann
schaue ich mich noch etwas auf dem Campingplatz um und krieche in der Abenddämmerung erschöpft in mein Zelt.
Freitag, 19. August 2016
Seeburg – Edemissen
180 km
Mein
Wecker klingelt um 6 Uhr, ich habe gut geschlafen. Noch im Zelt rolle ich
meinen Schlafsack und die Isomatte zusammen und verstaue alles in den
Packtaschen. Mit meinem Tauchsieder koche ich mir auf der Veranda heißes Wasser
für den Kaffee und frühstücke erst einmal. Heute morgen ist es erheblich wärmer als
gestern, in der Nacht habe ich den Schlafsack nur als Decke benutzt.
Dann
baue ich das Zelt ab und packe alles auf das Fahrrad. Um 7.30 Uhr mache ich
mich auf den Weg. Ich folge meinen Notizen, die ich mir gestern gemacht habe,
denn heute möchte ich das Navi nur im Notfall einschalten um mir die vielen
Holperstrecken und Schotterwege zu ersparen. Lieber nehme ich den Autoverkehr
in Kauf. Erst geht es am See zurück und auf gleicher Strecke wie gestern bis
nach Eisleben.
Hier
schaue ich mich etwas in der Stadt um. Eisleben ist bekannt als Geburts- und
Sterbeort Martin Luthers. Zu Ehren des größten Sohnes der Stadt führt sie seit
1946 den Beinamen „Lutherstadt“.
Dann
möchte ich weiter über Siersleben nach Hettstedt. Zu allem Ärger
versagt mein Handy, es ist mal wieder nicht in der Lage, den GPS-Satelliten zu
finden und ich muss mich durchfragen. Nach einigen Auskünften nehme ich Kurs
auf die B180. Kurz vor dem Hinweisschild ist dann auch das Navi bereit und wird
gleich wieder ausgeschaltet, jetzt will ich auch nicht mehr. Ich
bin also wieder auf der radweglosen Bundesstraße. Inzwischen
weiß ich, was mich erwartet. Berge – und Verkehr! Packen wir es an.
Meine
Beine funktionieren nach der gestrigen Belastung wieder gut, ich
wuchte mein schweres Rad die Steigungen hinauf und lasse mich anschließend
wieder herunter rollen. Es ist warm,
der Schweiß läuft mir in die Augen aber
ich kann hier auf keinen Fall anhalten. Ich fahre
monoton vor mich hin, zähle die Umdrehungen
bei den Auffahrten und konzentriere mich, bei den Abfahrten die Spur
zu halten. Hettstedt
umfahre ich und bei Quenstedt kann
ich das Kapitel B180 dann zum Glück unbeschadet abhaken.
Auf
Landstraßen mit deutlich weniger Verkehr geht es weiter über Ermsleben, Reinstedt, Nachterstedt, Gatersleben und Hausneindorf mit seiner großen Burg.
Selten
darf ich mich über einen Radweg freuen, der aber meist nach wenigen Kilometern
wieder endet. Bordsteinabsenkungen für einen glatten Übergang sind Mangelware,
seit gestern reagiere ich auf holperige Hindernisse empfindlich. Trotzdem ist
für mich die heutige Strecke angenehmer zu fahren, wenn sie auch nicht weniger bergig und
anstrengend ist.
Vielleicht
macht es auch die Abwechslung oder die Tatsache, nicht zu wissen, was einen auf
der Strecke noch erwartet.
Unterwegs
erfreue ich mich über leckere Äpfel und Birnen, zahlreiche Obstbäume säumen die
Straßen.
Die
Landstraßen durch die Felder ähneln sich, führen mal mehr und mal weniger steil
bergauf und bergab. Da ich hier nicht durch Schotter oder Kopfsteinpflaster
ausgebremst werde, komme ich trotzdem gut voran. Ich folge weiter meinen Aufzeichnungen, fahre durch Hedersleben und Rodersdorf.
Kurz vor Wegeleben überquere ich
die Bode, der Fluss fließt im Sonnenschein gemächlich vor sich hin.
In Harsleben komme ich auf die B79, die hier auch über einen Radweg verfügt und kurze
Zeit später bin ich in Halberstadt. Halberstadt
ist die Kreisstadt des Landkreises Harz und liegt im nördlichen Harzvorland. Die Innenstadt ist am
8. April 1945 durch einen Luftangriff zu mehr als 80 % zerstört
worden. Sie wurde über Jahrzehnte wieder oder neu aufgebaut.
In
der Fußgängerzone komme ich direkt auf die Martinikirche mit den ungleichen
Türmen zu. Inzwischen ist es Mittag durch, ich schiebe ein Stück weiter und
finde auf den Treppenstufen der Liebfrauenkirche ein halbschattiges Plätzchen
um mein unterwegs gekauftes Mettbrötchen zu essen. Vor
mir steht auf der anderen Straßenseite der
Dom St.Stephanus und St. Sixtus. Er ist eine der
bedeutendsten gotischen Kathedralen Deutschlands.
Nach
meiner Pause fahre ich wieder auf die B79, die mich bis nach Braunschweig
bringen soll. Die Landschaft
ist genauso schön wie gestern, zu meiner Linken
sehe ich in einiger Entfernung die Erhebungen des Harzes, der Brocken
ist deutlich zu erkennen. Der Harz, bis ins Mittelalter Hart (Bergwald)
genannt, ist
ein Mittelgebirge in Deutschland. Er stellt das höchste
Gebirge Norddeutschlands
dar und liegt am Schnittpunkt von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Der größte Teil meiner
Tour führt durch das Harzvorland, das es hier noch so bergig ist, war mir bei
der Planung nicht ganz bewusst.
Die Orte
Aspenstedt, Arthenstedt, Dardelsheim und Hessen
folgen. Dann stehe ich wieder vor dem denkmalgeschützten DDR-Grenzturm auf dem
Hessendamm, einem Teilstück der B79 und bin wenige Radumdrehungen später in
Niedersachsen.
Hier gibt es dann auch wieder einen Radweg. Bergig ist es noch
bis hinter Wolfenbüttel – war das auf dem Hinweg auch schon so?
Ich schalte das Navi wieder ein, die Gefahr von Holperpisten oder sonstigen
unwegsamen Pfaden ist relativ gering. Kurz vor
Braunschweig führt mein Weg durch den Park von Melverode an der Oker entlang in den Kennel.
Bevor ich die letzten 30 Kilometer angehe, mache ich auf einer romantischen
Bank am See in der Nähe des Kennelbades die letzte Rast.
Dann setze ich meinen
Weg über Watenbüttel an der B214 bis nach Hause fort. Auf
diesem anspruchsvollen Kurztrip bin ich auch aufgrund der hohen Kilometerzahl
an meine Grenzen gegangen. Hin- und Rückweg konnten unterschiedlicher nicht
sein, beide Strecken haben ihre Vor- und Nachteile. Bei super Wetter konnte ich
meine Fitness etwas aufbessern, neue Erfahrungen sammeln und eine wunderschöne
Landschaft kennen lernen.