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28.06.20

Fahrradreise Edemissen-Reutlingen




Fahrradreise
Edemissen - Reutlingen
vom 20. Juni - 24. Juni 2020
733 km, 4.297 HM



Die Überführung unseres neuen Gebrauchtwagens von Peters Bruder aus Reutlingen nehme ich ziemlich spontan zum Anlass, endlich mal wieder für ein paar Tage aufs Rad zu steigen. Neben vielen Tagestouren ist das meine 1. größere Radreise dieses Jahr. Nach dem Coronalockdown im März hat sich das Leben wieder einigermaßen normalisiert und so kann ich die Reise wagen. Allerdings möchte ich mich nicht darauf verlassen, spontan auf Zeltplätzen oder in Jugendherbergen einzukehren und buche mir lieber günstige Privatpensionen vor. 


Tag 1
Samstag, 20. Juni 2020
Edemissen - Ottbergen - Hann. Münden - Knickhagen
160 km / 1.330 HM 
Durchschnittsgeschwindigkeit 16,32 km/h

Wetter:
Sonne-Wolken-Mix
leicher Westwind
25 Grad



Früh morgens um 6 Uhr mache ich mich auf den Weg. Die ersten 35 Kilometer erweisen sich als beschwerlich, ich habe das Gefühl, Blei in den Knochen zu haben. Liegt es an den 2 Ibo, die ich am Vorabend wegen plötzlich auftretender Zahnschmerzen genommen habe? Oder fehlt mir die Energie weil ich mit leerem Magen unterwegs bin? 


Da Sandros Wohnung auf der Strecke liegt, habe ich mich mit ihm zum Frühstück verabredet. Ich quäle mich vorwärts und stehe Punkt 8 Uhr mit frischen Brötchen vor seiner Tür. Mein Sohn bewirtet mich hervorragend, mit Kaffee, gekochtem Ei und leckeren Brotaufstrichen. 


Nach einer Stunde verabschiede ich mich und setze gestärkt meine Reise fort. Ich schaue aufs Navi, 130 Kilometer liegen heute noch vor mir. Ich habe mich wieder für die Rennradroute entschieden um irgendwelche Querfeldeinwege zu vermeiden. Da ich also überwiegend auf Landstraßen fahre, habe ich mir alle auf der Strecke liegenden Ortschaften notiert. So weiß ich immer, was bis zum Tagesziel noch vor mir liegt und ich bin gut vorbereitet, falls die Technik mal versagt. 



                           

Trotz des guten Straßenbelages ist die Tour mega anstrengend. Die Ausläufer des Weserberglandes bescheren mir viele schweißtreibende Anstiege, dazu brennt die Sonne teilweise ordentlich.  


Bei rasanten Abfahrten, die ich spätestens bei 50 km/h aus Sicherheitsgründen etwas ausbremsen muss, genieße ich dann den kühlen Fahrtwind und die wundervolle Landschaft.


Stunde für Stunde bin ich am Treten und bewege mich Kilometer für Kilometer vorwärts. Langweilig wird mir dabei nicht, es gibt unterwegs viel zu sehen. Es macht Spaß aber die Anstrengung bleibt. 


Nach jeder Steigung hoffe ich, es möge die letzte sein. Etwa 10 km vor Hann. Münden quäle ich mich auf einem verlassenen Wirtschaftsweg mit letzter Kraft einen nie enden wollenden Berg hoch und habe die Befürchtung, meine Beine versagen mir Ihren Dienst. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Naviki diese sinnlose Schikane nur eingebaut hat, um mich zu quälen. Sicherlich gibt es einen viel bequemeren Alternativweg.


Mit dem Gedanken an eine Pause halte ich Ausschau nach einer Bank. Aber nicht mal das ist mir gegönnt. Völlig entkräftet lasse ich mich ins Gras am Wegrand fallen und esse meinen Nudelsalat, den ich fast in der Packtasche vergessen hätte. 



Um 16.45 Uhr überquere ich die Weser und habe mein letztes Zwischenziel Hann. Münden erreicht. Viele Passanten bummeln durch die 3-Flüsse-Stadt und genießen das schöne, sonnige Wochenende. 




Für mich geht es gleich weiter, die Stadt mit den schönen Fachwerkgebäuden habe ich schon einmal gesehen. Um sicher zu gehen, nicht am falschen Fluss in die falsche Richtung zu fahren, navigiere mich zum Anschluss an den Fulda-Radweg. Hier ist der Campingplatz gut mit Wohnmobilen gefüllt, ob da für mein Zelt auch ein Plätzchen frei gewesen wäre?


Meine  Beine zittern und ich fühle mich ausgelaugt. Die letzten 12 Kilometer fahre ich bequem und ohne weitere Steigungen am Fluss entlang bis zu meiner vorgebuchten Pension in Knickhagen etwas abseits der Fulda. 


Die ehemalige Dorfgaststätte ist schon lange nicht mehr in Betrieb aber die Zimmer sind renoviert und modern. Ich bin der einzige Gast und genieße die familiäre Atmosphäre der netten älteren Wirtsleute.


Nach dem Duschen vertrete ich mir noch etwas die Beine und schaue mir die nähere Umgebung an. Viel ist hier nicht los und ich bin froh, nur auf der Durchreise zu sein. 


Am Wintergarten der Pension notiere ich noch einige Daten des Tages und genieße die Ruhe nach der Anstrengung.   




Unterkunft:
Pension "Zum Kühlen Grund"
Osterbachstr. 10, 34233 Fuldatal/Knickhagen
35,-€ incl. Frühstück







Tag 2
Sonntag, 21. Juni 2020
Knickhagen - Fulda
168 km / 730 HM
Durchschnittsgeschwindigkeit 17,35 km/h

Wetter:
Sonnig
West-Südwestwind
27 Grad



Das liebevoll servierte Frühstück genieße ich im Wintergarten während ich noch einen kleinen Schnack mit dem Herrn des Hauses und seiner Frau halte. Auf meinen Wunsch hat die nette Wirtin schon früh um 6 Uhr eingedeckt sodass ich bereits um 7 Uhr auf dem Fahrrad sitze und meine Tour beginnen kann. 


Heute geht es ausschließlich an der Fulda entlang. Der Fluss war schon einige Male mein Begleiter. Ich liebe diesen Radweg, der in Hessen als R1 bezeichnet wird und wie weitere Radwege in diesem Bundesland hervorragend ausgeschildert ist. 


Ich freue mich auf eine entspannte Tour in Flussnähe mit deutlich weniger Höhenmetern als gestern. 


In Kassel führt der Weg ein kurzes aber nerviges Stück durch die Stadt, danach genieße ich wieder die Ruhe der Flussaue.


Einige Sehenswürdigkeiten liegen auf meiner Strecke wie das Kloster Haydau in Morschen.


Gegen 12 Uhr gönne ich mir eine Mittagspause an einem sonnigen Plätzchen in der Natur. Ich konnte mir alle Reste vom Frühstück mitnehmen sodass ich hierfür nicht mal einkaufen musste. 


Die Hälfte der Strecke habe ich hinter mir. Trotz der guten Bedingungen und der wundervollen Landschaft finde ich die Fahrt wider Erwarten sehr anstrengend.



Die Sonne brennt ordentlich und ich habe oft Gegenwind. Mein Hintern tut weh und ich rutsche von einer Seite des Sattels auf die andere, solche Probleme kenne ich eigentlich bei mir nicht. Die Kilometer ziehen sich zum Schluss endlos hin. 


Gegen 17.30 Uhr taucht endlich die Skyline von Fulda hinter den Wiesen und Feldern auf. Leider hat die hiesige Jugendherberge wegen Corona noch geschlossen.


Ich navigiere mich zu meiner Unterkunft, ein Gasthof, der etwas außerhalb der Stadt liegt. Aufgrund des heutigen Ruhetages kann ich in der hauseigenen Gaststätte nicht zu Abend essen, deshalb gehe ich nach dem Duschen nochmal zu Fuß in die Altstadt. Auch hier haben einige Lokale nicht geöffnet und es ist allgemein wenig Betrieb. 


Zum Sightseeing habe ich sowieso keine Energie mehr, ich gönne mir eine Pizza in einem eher ungemütlichen Imbiss und laufe zur Pension zurück. 


Die altdeutsche Einrichtung des in die Jahre gekommenen Gasthofs mit den dunkelgrün-roten Teppichen auf den Fluren, der knarrenden Holztreppe und den Geweihen an den Wänden wirkt auf mich bedrückend. Mein Zimmer ist sauber aber ohne Charme, für eine Übernachtung aber völlig in Ordnung. Nach so einer anstrengenden Tour sind alle Ansprüche heruntergeschraubt und man ist nur froh, ein Bett zum Schlafen und Ruhe zu haben. Da es morgen erst ab 7.30 Uhr Frühstück gibt, buche ich nur die Übernachtung und spare 5€.

Unterkunft:
Gasthof "3 Linden"
Neuenberger Str. 37, 36041 Fulda
30,- € ohne Frühstück




Tag 3
Montag, 22. Juni 2020
Fulda - Gemünden - Bettingen
120 km / 775 HM
Durchschnittsgeschwindigkeit 15,82 km/h

Wetter:
Sonnig
30 Grad


Für die heutige Tour habe ich 2 Etappen geplant. Auf der ersten steht wieder eine Überlandfahrt mit Navi an. Ich lasse die Fulda hinter mir und fahre durch Rhön und Spessart bis nach Gemünden an den Main. 


Hierfür habe ich mir wieder die Ortschaften auf der Strecke notiert. 72 Kilometer, die es besonders am Anfang in sich haben.
 

Auf der 2. Etappe geht es 90 Kilometer am Main entlang bis Miltenberg und noch 10 Kilometer weiter bis zu meinem Quartier in Amorbach. Aber es soll ganz anders kommen...


Ich starte gut erholt um 6.30 Uhr und gehe die ersten Steigungen an. Auf den Straßen herrscht wenig Verkehr.



Die wunderschöne hügelige Landschaft der Rhön und das sonnige Wetter entschädigen mich für die Anstrengung, die mir am frühen Morgen noch relativ leicht fällt. 



Auf einer Anhöhe lädt eine Bank zur Pause ein und ich genieße mein Frühstück wieder in der Natur. Bei entsprechend schönem Wetter, so wie heute, ist das für mich immer ein ganz besonderes Hightlight.



Mein Weg führt weiter durch das Sinntal. Unbemerkt habe ich irgendwo die Grenze zu Bayern überfahren. Ich bin überwältigt von der Landschaft und den Höhenzügen des Spessarts um mich herum. 




Vorsichtshalber fahre ich wieder die Rennradroute, die nicht überall verkehrsberuhigt ist. Eine ziemlich befahrene Landstraße, etwa 10 km vor Gemünden, will ich schnell hinter mir lassen. Plötzlich fühlt sich beim Treten irgendwas komisch an. Noch bevor ich registriere, woran es liegt, verabschiedet sich meine linke Tretkurbel und fällt klirrend zu Boden. 


Fassungslos stehe ich auf der Hauptstraße ohne gescheiten Seitenstreifen, die Autos sausen mit hoher Geschwindigkeit an mir vorbei. Mir gehen alle möglichen Gedanken durch den Kopf, die nach einer Lösung schreien aber diese Panne kann ich hier nicht selbst reparieren. Sollte meine Reise nun schon zu Ende sein? Wie komme ich hier weg? Schieben ist bei dem Verkehr auf der kurvigen Straße nicht die beste Option. 

Gerade fährt ein oranges Fahrzeug vom Würzburger Bauamt langsam an mir vorbei, welches das hohe Gras des Seitenstreifens mäht. Ich mache den Fahrer auf mich aufmerksam und frage ihn, ob er mich samt Fahrrad hier von der Straße holen kann. Kurzerhand hebt er das Fahrrad auf die Landefläche und ich klettere mit meinen Packtaschen zu ihm ins Fahrerhaus. 


Mähend tuckern wir in das 2 Kilometer entfernte Städtchen Rieneck. Hier lässt mein Retter in der Not mich an einer Werkstatt aussteigen. Ich bedanke ich tausendmal und hoffe, dass mir hier weitergeholfen werden kann.


Leider Fehlanzeige, der Autoschrauber unterbricht seine Arbeit und bemüht sich aber hier werden schon lange keine Fahrräder mehr repariert. Eine hergesuchte Schraube aus alten Beständen passt leider nicht um meine Tretkurbel wieder zu befestigen. Aber ich bekomme die Auskunft, dass in der Stadt nach etwa 1,5 Kilometern noch eine Fahrradwerkstatt sein müsste. Voller Hoffnung mache ich mich schiebend auf den Weg. 

In der angegebenen Straße halte ich Ausschau nach einem Schaufenstergeschäft, wie man das so kennt. Es ist kurz nach 12 Uhr und ich will nicht hoffen, wegen Mittagspause vor verschlossenen Türen zu stehen. 


Die Beschriftung einer schlichten Tür über einem Treppenaufgang eines Wohnhauses halte ich für ein Werbeschild, ein Geschäft finde ich allerdings nicht. Zum Fragen läuft mir niemand über den Weg, die Straße ist wie leer gefegt. Ich klingele am Eingang ums Eck, leise Meditationsmusik dringt an mein Ohr. Die Tür wird geöffnet und ich staune ich nicht schlecht, als mir ein Mann mit schwarzen Gummihandschuhen und Schraubenschlüsseln in der Hand gegenüber steht. Prompt und unkonventionell nimmt er sich mein Rad gleich unten auf der Straße vor.


Im Handumdrehen ist eine passende Schraube gefunden und die Tretkurbel befestigt. Ich bekomme sogar noch die Kette gespannt und geölt. Eine andere provisorisch befestigte Schraube wird ausgetauscht und hier und da noch was nachgezogen. Jeder Handgriff sitzt, der Mann hat richtig Ahnung. Dafür muss ich mir dann auch einige Rügen über den Zustand des Rades anhören, die ich etwas beschämt zur Kenntnis nehme. Ein Check vor Reiseantritt meinerseits wäre durchaus sinnvoll gewesen. Ich nehme es mir für die Zukunft vor.

Das Angebot, auch noch das Quietschen meines Sattels zu beheben, lehne ich mit Rücksicht auf meinen Geldbeutel dankend ab. Die Bezahlung überrascht mich dann doch. Für kleines Geld hat der Mann meine Reise gerettet. Ich gebe ihm das Doppelte und kann mein Glück kaum fassen als ich wieder auf dem Sattel sitze und meine Tour fortsetzen kann. 



Es ist 13.30 Uhr als ich den Main in Gemünden erreiche und die erste Etappe trotz Unterbrechung noch einigermaßen zeitnah geschafft habe. 


Auf der 2. Etappe für heute kann ich wieder etwas entspannen und kann es einfach rollen lassen. Der Mainradweg ist gut ausgeschildert und relativ wenig bergig. Er verläuft teilweise sehr idyllisch zwischen Fluss und Weinbergen. 


Trotzdem bin ich nicht sicher, ob ich die verbleibenden 100 Kilometer heute noch fahre. Mein unfreiwilliger Aufenthalt hat mich doch einiges an Nerven gekostet was sich jetzt auf meine Motivation auswirkt. 


Nach 2,5 Stunden unterquere ich die A3 also befinde mich etwa auf Höhe von Würzburg. Das soll für heute reichen und ich beschließe, im nächsten Ort nach einer Unterkunft Ausschau zu halten. 


Und die ist schnell gefunden. In Bettingen weiche ich vom Mainradweg ab und fahre ein Stück durch die kleinen Straßen des Dorfes. Ein ansprechendes Schild im gepflegten Vorgarten eines farbenfrohen Hauses gibt Auskunft über ein freies Zimmer. Die nette Wirtin zeigt mir einen liebevoll eingerichteten Raum im Souterrain und ich buche mich für diese Nacht ein. 


Nach dem Duschen gehe ich hinunter zum Mainufer und relaxe noch etwas. Es ist 18 Uhr, sehr warm und wunderschön hier. 


Die Hauswirtin meines Zimmers zeigt mir später noch ihren Garten und wir unterhalten uns eine Weile. Mein Frühstück bestelle ich für 6 Uhr, ich möchte morgen früh los damit ich die fehlenden Kilometer wieder aufholen kann. 

Unterkunft:
Privatzimmer Edith Hagmaier
Kaiseräcker 5, 97877 Wertheim-Bettingen
38,- € incl. Frühstück




Tag 4
Dienstag, 23. Juni 2020
Bettingen - Löchgau
164 km / 876 HM
Durchschnittsgeschwindigkeit 17,56 km/h

Wetter:
Sonnig
30 Grad


Meine Gastwirtin steht für mich extra früh auf. Sie richtet mir auf dem Flur vor meiner Tür ein ganz besonders hübsch dekoriertes und reichhaltiges Frühstück, welches ich mir aufs Zimmer hole und genussvoll verzehre.   


Um 6.45 Uhr verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg. Ich liebe es, so früh unterwegs zu sein und den Tag noch vor mir zu haben. Nebelschwaden liegen über den Auwiesen des Mains.


Weil ich gestern abgebrochen habe, stehen heute 3 Etappen auf dem Plan. Die ersten 45 Kilometer am Main entlang sollten nicht besonders anspruchsvoll sein. 


Vor der 2. Etappe habe ich mächtig Respekt, sie führt 55 Kilometer durch den Odenwald nach Neckargerach. Die Verbindung vom Main zum Neckar weist einiges an Höhenmetern auf. Die 3. Etappe führt dann noch 64 Kilometer am Neckar entlang. 


Nun will ich keine Zeit verlieren und alles nacheinander abarbeiten, bzw. abfahren. Es läuft gut, das Wetter ist super und ich habe heute keine Probleme mit Gegenwind.


Um kurz nach 9 Uhr rolle ich auf Miltenberg zu und kann Etappe 1 abhaken. Ich schalte das Navi ein und lege meine handgeschriebene Liste mit den Ortschaften zurecht. Vor mir liegen nur Berge, da muss ich dann wohl drüber. Im Odenwald bin ich auf einer vergangenen Radreise schon einmal gescheitert. Ich musste in einem Dorf zwischenübernachten, weil mich das ständige Bergauffahren auf unwegsamen Waldwegen in die Knie gezwungen hatte. Hoffentlich läuft es heute besser. 


Ich bewältige die ersten Höhenmeter und registriere im 2. Ort auf meiner Liste einen Fahrradwegweiser, der den Main-Neckar-Radweg ausschildert. 


Das wäre ja ein Glückstreffer, bei meiner Planung war mir nicht klar, dass es einen offiziellen Verbindungsweg zwischen den beiden Flüssen gibt. Ich habe keine Ahnung, wohin der genau führt aber spontan entschließe ich mich, ihm zu folgen. Ich beende meine Navigation weil ich wenig Lust auf verkehrsreiche Straßen habe. 


Wie sich herausstellt, eine sehr gute Entscheidung. Die Beschilderung ist lückenlos und führt gleich von der Straße weg. Berge bleiben mir zwar nicht erspart aber ich fahre die ganze Zeit auf asphaltierten Wirtschaftswegen durch eine wunderschöne Landschaft mit grünen Wiesen und Waldstücken. Unterwegs bekomme ich heraus, dass der Radweg über Mosbach nach Neckarelz führt. Auch gut, ich komme dann etwas weiter südlich an den Neckar, ist sowieso meine Richtung. 


Erst einmal oben angekommen, geht der Weg ohne nennenswerte Höhenunterschiede hügelig weiter bis es zum Schluss viele Kilometer nur bergab geht. Ich bin total begeistert von dieses Radweg und genieße diese Etappe.
 

Mosbach erreiche ich bereits um 12.30 Uhr. Das letzte Stück bis zum Neckar ist ebenfalls gut ausgeschildert und ich kann aufatmen, Etappe 2 ist super gelaufen. 


Nun hat mich der Neckar wieder. Schon ein paar Mal hat er mich auf vergangenen Reisen ein Stück begleitet und ich bin immer wieder von den Weinhängen und den schroffen Sandsteinfelsen begeistert. 


Der Radweg führt überwiegend dicht am Fluss entlang und man hat fast keine Gelegenheit, sich zu verfahren. Ich kann also ganz entspannt dahinfahren und genieße das auch. 


Es ist heiß aber mit dem kühlen Fahrtwind lässt es sich angenehm fahren. Ich komme sehr gut voran. Meine Beine und mein Po haben sich schon lange wieder erholt.


Ich fahre bis Besigheim, dann muss ich vom Neckar abweichen und 4 Kilometer in den nächsten Ort zu meiner Unterkunft fahren. 


Hierfür hält mein Navi dann nochmal eine Schikane für mich bereit. Anstatt mich auf direktem Weg über die Landstraße nach Löchgau zu führen, schickt es mich über einen steilen Weinberg und ich stoße zum letzten Mal des Tages an meine Grenzen.  Manchmal verfluche ich dieses Ding. 




Kurz vor der Zielfahne finde ich mich in einem schmucklosen Gewerbegebiet wieder und kann mir kaum vorstellen, hier meine vorgebuchte Pension zu finden. An der Hauswand eines mehrstöckigen Gebäudes ist der Schriftzug "Zur Roten Rose" zu lesen. In der Einfahrt unterhalten sich eine Frau und einige junge Männer beim Rauchen, sie sprechen nicht meine Sprache. Irgendwie macht mich das unsicher und ich will mal nicht hoffen, dass es sich hier um eine Art Swingerclub handelt. Zum Glück ist es dann doch nur ein Betrieb für Garten- oder Weinbau, der überwiegend an Monteure oder eigene Aushilfskräfte vermietet.


Mein Appartement ist sehr schlicht aber zweckmäßig eingerichtet. Die Deko besteht aus einigen selbstklebenden Plastikschmetterlingen, die vereinzelt an die weiß getünchten Wände geklebt wurden. Na ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Dafür gibt es im Hinterhof einen wunderschön gestalteten Garten mit Koiteich und Liegestühlen. Beim Supermarkt um die Ecke hole ich mein Abendbrot sowie das Frühstück für morgen und lasse den Tag am Gartenteich ausklingen. 

Unterkunft:
Pension "Zur Roten Rose"
Henkelstraße 10, 74369 Löchgau
35,-€ ohne Frühstück





Tag 5
Mittwoch, 24. Juni 2020
Löchgau - Reutlingen
121 km / 586 HM
Durchschnittsgeschwindigkeit 15,4 km/h

Wetter:
Sonnig
30 Grad


Meinen letzten Tag kann ich ganz entspannt angehen. Es geht ausschließlich am Neckar entlang und die verbleibenden Kilometer sind überschaubar.


 Aber ganz so problemlos wie erwartet wird es heute doch nicht laufen.

Um 7 Uhr sitze ich auf dem Rad und muss bereits in Besigheim mein Navi bemühen um den Neckarradweg wieder zu finden. Meine Beine sind heute morgen ziemlich lahm, außerdem habe ich Hunger und Kaffeedurst. Kurz darauf bin ich wieder auf der Strecke und die ersten Weinhänge begrüßen mich bei strahlendem Sonnenschein. 


Nach knapp 2 Stunden Fahrt wird es dann auch Zeit für die Frühstückspause. Die sonnige Bank mit Sicht auf Marbach am anderen Neckarufer ist meine. Auf den Kaffee muss ich heute morgen leider verzichten, sonst habe ich alles dabei um satt zu werden. 


Beim Essen schwelge ich in Erinnerungen, Marbach war eine unserer ersten Stationen mit dem Wohnmobil. Der Stellplatz lag auf der Schillerhöhe, die ihrem Namen alle Ehre machte. Wenn wir von Radtour zurück zum Wohnmobil wollten, mussten wir eine ziemlich steile Anfahrt meistern.


Meine Fahrt geht weiter und so langsam nähere ich mich dem Dunstkreis von Stuttgart. Eine schöne Fußgängerbrücke verbindet das Stuttgarter Wohngebiet Freiberg mit dem Naherholungsgebiet Max-Eyth-See. 


So schön es hier auch aussieht, die Beschilderung wird unübersichtlich. Fast vor jedem Schilderbaum habe ich die Auswahl von verschiedenen Möglichkeiten der Weiterfahrt und natürlich entscheide ich mich meistens falsch.  Immer wieder werde ich vom Fluss weggeführt weil irgendwelche Hafenbecken oder Firmengelände zu umfahren sind. Im Stadtverkehr verliere ich oft die Anschlussschilder und muss andauernd das Navi einschalten, um wieder auf Strecke zu kommen. 


Viele Ampeln, die anscheinend für mich extra auf rot umspringen, viel Verkehr, Bahngleise, Industriegebiete und Autolärm, ich bin genervt von der Großstadt. 


Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich durch und freue mich auf eine ruhige Weiterfahrt. Doch das Glück währt nicht lange, es folgt die nächste Überraschung: Eine Vollsperrung des Radweges ohne Hinweis auf Umleitung. Egal, ich umfahre das Hindernis, muss nach ein paar Kilometern über Sand und Geröll schieben und lande kurz darauf in einer riesigen Baustelle. Ein Durchkommen ist unmöglich, zerknirscht muss ich wieder umdrehen. Mit Hilfe des Navis finde ich dann doch noch eine gescheite Alternativstrecke und komme danach wieder an den Neckar. 


Nun wird es ruhiger und ich kann wieder die schöne Natur entlang des Flusses genießen. Es ist herrlich warm, am Ufer tummeln sich immer wieder Badegäste. Als ich auf Höhe von Nürtingen bin, dürften es noch ca. 25 km sein und ich kündige meine Ankunft in 1,5 Stunden an. 


Ich will bis Kirchentellinsfurt am Neckar entlangfahren und von dort mit Navi die letzten 7 Kilometer bis nach Reutlingen. Aber als gehörten Umwege zum heutigen Tag, verlasse ich aus unerfindlichen Gründen bereits einen Ort davor den Fluss was mir zusätzliche Höhenmeter und unnötiges Herumgesuche einbringt. Aus den 1,5 werden locker 2 Stunden weil ich zudem auch noch die falsche Hausnummer notiert habe. Schlussendlich komme ich um 16 Uhr bei meinem Schwager an, der mich mit einer riesigen Portion Nudeln empfängt. 



Fazit: 
Mit dem Fahrrad von Nord- nach Süddeutschland, eine Herausforderung für mich. Edemissen - Reutlingen in 5 Tagen, 733 Kilometern und 4.297 Höhenmetern. Spontan organisiert, kurzfristig umgesetzt und sehr viel Glück mit dem Wetter gehabt. Bis auf eine Ausnahme konnte ich die geplanten Etappen gut umsetzen und die vorgebuchten Unterkünfte erreichen. Meine Panne, na ja, hätte schlechter laufen können, viel Glück gehabt und Hilfe bekommen. Eine super schöne Tour, die mir sehr viel Spaß gemacht hat. 

     

Ein Besuch im wunderschönen Tübingen und am nächsten Tag eine Wanderung auf die Aachalm, dem Hausberg von Reutlingen, runden meine Reise ab. Mein Schwager ist ein perfekter Gastgeber. Am Nachmittag wird mein Rad im neu erworbenen Fahrzeug verstaut und ich mache mich auf den Rückweg über die Autobahn. 

                                                                                    

Um 22 Uhr parke ich den Wagen in unserem Carport und habe auch die für mich anstrengendste Etappe dieser Reise hinter mich gebracht.